Montag, 19. September 1910
Während die Geschehnisse am Bettag viele Besucher und mit ihnen die heimische Bevölkerung enttäuscht und misstrauisch stimmten, sollte der zweite Tag der Flugwoche die Kehrtwende bringen. Schon in den Nachtzügen erreichten die Flugbegeisterten aus nah und fern Brig. Die Lokalblätter von Brig und Visp beschrieben die aktuelle Stimmung: «Auf dem Simplon lag Nebel. Früh um 6.16 Uhr startete Chavez. In einigen prächtigen Kreisflügen erhob er sich bis 2200 Meter hoch dem Simplon zu. Schon glaubten die rund 1000 Zeugen, Chavez überfliege den Simplon. Doch in grossen Kreisflügen kehrte er wieder zum Startplatz zurück. Die enthusiastischen Ovationen, die ihn bei seinem Start begleiteten, wiederholten sich bei der Landung.»
Die Reporter eilten auf Chavez zu. Sichtlich mitgenommen von den Strapazen, schilderte er seinen Flug: «Als ich die Höhe von 2200 Metern erreicht hatte, wandte ich mich dem Simplon zu. Ich schraubte mich noch etwas höher und konnte das Kontrollsignal, eine über das Hotel Kulm gespannte Blache, gut erkennen. Gleich darauf drang ein seitlicher Windstoss auf meine Blériot ein, der den linken Flügel anhob. Ich geriet in eine Windkreuzung. Als dann noch der aufkommende Nebel die Sicht beeinträchtigte, entzog ich mich den Naturkräften und entschloss mich zur Rückkehr.» Für Geo Chavez ein weiser Entschluss. «Ma peau vaut plus que 70 000 francs», begründete er den abgebrochenen Versuch einer Simplonüberquerung. Um eine Erfahrung reicher, erklärte er den Journalisten: «Die Alpenüberfliegung ist eine Frage von Wind und Wolken, nicht von Motor und Orientierung. Ich bin sicher, dass ich bei relativer Ruhe auch 3000 Meter hoch über den Nebel bis nach Mailand fliegen könnte, nur vom Kompass geleitet. Hätte man mich gestern abfliegen lassen, so wäre die Alpenüberfliegung heute eine vollbrachte Sache.» Der kritischen Aussage Chavez’ fügte der «Walliser Bote» seinem Bericht ebenso kritisch ein Fragezeichen hinzu.
Bald nach Chavez’ Rückkehr stieg Charles T. Weymann auf. Der Deutschamerikaner führte aber nur einen kurzen Kreisflug aus. Er landete wieder auf dem Flugfeld vor den applaudierenden Zuschauern. Auch ihn soll der Wind an einem Weiterflug gehindert haben. Die Flugwoche schien mit diesen «Aufstiegen» gerettet, wie dies aus dem Kommentar im «Briger Anzeiger» zu lesen war: «Hätte gestern am Nachmittag der eine oder andere Held ja nur ein Zehntel von dem ausgeführt, was heute geleistet worden ist, so hätte dies das neugierige Publikum mehr als zufrieden gestellt.»

Bei eher zweifelhafter Witterung waren es am Dienstag kaum mehr als 200 Personen, die auf dem Flugfeld das Geschehen verfolgten. Nachmittags um 15 Uhr startete Taddéoli im Zweidecker von Dufaux. Er flog mehrere grosse Kreise und dies «mit grosser Stabilität seines Apparates». Am späteren Nachmittag unternahm Weymann zwei Flüge.
Der Mittwoch liess über Tag keine Flüge zu. Auf dem Flugfeld war der Wind derart stark, dass die Bedachung der Festhütte teilweise nachgab. Erst am Abend, als der Wind nachliess, rüsteten sich Taddéoli und Weymann zu einem Flug. Sie mussten aber vor dem wieder einsetzenden Wind auf ihre Flüge verzichten.
Schön und ruhig brach der Donnerstag, der St.-Mauritius-Tag, an. Doch diesmal belegte der im Wallis hochgehaltene Feiertag das Geschehen auf dem Flugfeld mit keinen Einschränkungen. Einzig der um 11.45 Uhr aufgeführte Feldgottesdienst setzte an jenem Feiertag ein würdiges Zeichen ins Tagesprogramm. Emile Taddéoli nutzte frühmorgens die Gunst des ruhigen schönen Wetters. Um 7.20 Uhr startete er im Doppeldecker «Dufaux 4» und überflog in einer Höhe von 500 Metern in einem weiten Kreise Brig und Termen.
Weiter berichtete das Lokalblatt, dass auch Weymann an diesem Vormittag vier schöne Flüge über Brig ausgeführt hat. Der «arbeitsfreie» Feiertag bot vielen interessierten Besuchern Gelegenheit, das Geschehen auf dem Flugfeld aus eigener Anschauung zu erleben. Zum Leidwesen des grossen Publikums verhinderten am Nachmittag die herrschenden Witterungsverhältnisse weitere Aufstiege. Vergeblich hofften mit den interessierten Besuchern die Akteure in den Hangars auf ein Nachlassen des Windes.

