Geschichte der Luftfahrt

20 Jahre wie im Flug

Als sich Otto Lilienthal 1891 sein Hirngespinst um die Hüften schnallte, hat er wohl kaum damit gerechnet, dass bereits 20 Jahre später Geo Chavez über die Alpen fliegen würde.

1891  Otto Lilienthal

Karl Wilhelm Otto Lilienthal (1848-1896, Berlin) war ein deutscher Luftfahrtpionier. Er gilt als der erste Mensch, der erfolgreich und wiederholbar Gleitflüge mit einem Flugapparat durchführte und dem Flugprinzip «schwerer als Luft» damit zur ersten menschlichen Anwendung verhalf und so den Weg zu dessen späterem Erfolg bahnte. Seine experimentellen Vorarbeiten und ersten Flugversuche ab 1891 führten zum Konzept der Tragfläche. Die Darstellung aerodynamischer Eigenschaften von Flügeln wurde von ihm entwickelt und wird bis heute eingesetzt. Die Produktion des Normalsegelapparates in seiner Maschinenfabrik in Berlin war die erste Serienfertigung eines Flugzeugs.

Otto ohne Motor: Lilienthal mit Flügelschlagapparat am 16. August 1894
Otto ohne Motor: Lilienthal mit Flügelschlagapparat am 16. August 1894

1898  Spelterinis Ballonfahrten

Bis Blériots Kanalüberquerung steckte die Aviatik in den Kinderschuhen und die Rekorde in der Luft blieben den Ballonfahrern vorbehalten. So war es auch der selbsternannte Kapitän Eduard Spelterini, der im Jahre 1898 in Sitten zu seiner Fahrt über die Alpen aufstieg. Die Strömung trieb ihn im Korb des Ballons «Wega» in einer spektakulären Fahrt über die französischen Alpen. Nach deren Überquerung landete er nahe dem Dörfchen Rivière bei Dijon. Bis ins Jahr 1903 unternahm Spelterini, der eigentlich Eduard Schweizer hiess, über 500 Fahrten in ganz Europa. Bei vielen Fahrten war der spätere Ehrenburger von Brig, Dr. Ernest Guglielminetti (1862 – 1943), dabei. Doktor Goudron (=Doktor Teer), wie der Arzt und Forscher nach seiner populären Erfindung, der Strassenteerung, auch genannt wird. Er bekundete aufgrund seiner wissenschaftlichen Forschungen auf dem Gebiet der Höhenkrankheit ein brennendes Interesse, an diesen Höhenfahrten dabei zu sein.

Die «Wega» während der Füllung am 29. September 1898

Die «Wega» während der Füllung am 29. September 1898

Sitten, 3. Oktober 1898,  Start des Ballons «Wega»

Sitten, 3. Oktober 1898, Start des Ballons «Wega»

1903  Die Gebrüder Wright

Am 17. Dezember 1903, glückte Wilbur und Orville Wright mit dem ersten gesteuerten Motorflug eine Weltsensation. Per Münzwurf fiel der Steuerknüppel Orville zu. Sein Bruder Wilbur musste vom Strand von Kitty Hawk in North Carolina zusehen, wie der einmotorige Doppeldecker abhob und eine Strecke von 36,60 Metern hinter sich liess. Wenn es nach heutigem Verständnis nicht mehr als ein «Hüpfer» war, so gelten die Brüder Wright aus Ohio dennoch als die ersten Menschen, die es schafften, ein motorgesteuertes Flugzeug schwerer als Luft zu fliegen.

Wilbur Wright bei einem Flug auf dem Truppenübungsplatz Anvours bei Paris im Jahr 1908
Wilbur Wright bei einem Flug auf dem Truppenübungsplatz Anvours bei Paris im Jahr 1908

1909  Louis Bleriot's Flug über den Ärmelkanal

Am 25. Juli 1909 gelang dem Franzosen Louis Blériot (1872–1936) in seinem selbst konstruierten Eindecker, ausgerüstet mit einem 25-PS-Gnôme-Motor, die Überquerung des Ärmelkanals. Das benutzte Flugzeug ging nach einigen mehr oder weniger fehlgeschlagenen Eigenbauten aus seinem elften Entwurf hervor, daher die Bezeichnung Blériot XI. In 36,5 Minuten liess er die Strecke von 42 Kilometern hinter sich. Die Erstüberfliegung des Kanals beflügelte auch den kommerziellen Erfolg Blériots. Innerhalb von zwei Jahren wuchs aus seiner primitiven, teilweise im Freien eingerichteten Werkstätte ein Unternehmen, das 155 Techniker beschäftigte und 500 Blériots in verschiedenen Varianten konstruierte. Von den Vorzügen Blériots Eindecker Nummer XI überzeugt, entschied sich Chavez für dieses Flugzeug, ausgerüstet mit einem 50-PS-Gnôme-Motor.

Louis Bleriot in seinem Eindecker
Louis Bleriot in seinem Eindecker

1910  Chavez' Flug über die Alpen

Jorge (Geo) Chavez, Sohn eines nach Frankreich ausgewanderten peruanischen Millionärs, lernte 1910 in Paris fliegen und erhielt den französischen Pilotenschein Nr. 32. Kaum flügge, errang er zahlreiche Preise für seine fliegerische Leistungen und führte eine Reihe von Rekordflügen durch. So erreichte er im September 1910 eine Höhe von fast 2500m.

Anlässlich der Mailänder Flugwoche vom 18.-24. September 1910 wurde ein Wettfliegen mit der Preissumme von 100'000 Franken ausgeschrieben. 5 namhafte Bewerber wurden zugelassen, darunter Chavez. Es galt, als erster Mensch in einem Aeroplan die Alpen via Simplonpass zu überfliegen. Nach langem Warten und ein paar erfolglosen Versuchsflügen, gelang Chavez am 23. September das scheinbar Unmögliche. 42 Minuten nach seinem Start in Ried-Brig erreicht er das Landefeld in Domodossola auf italienischer Seite.

Kurz vor der Landung, beim Versuch seine Bleriot XI nach einem Sturzflug aufzufangen, bricht das Flugzeug auseinander und der noch junge Chavez erlitt, wie sich später herausstellte, schwere körperliche Verletzungen. Er starb am 27. September 1910 im Spital von Domodossola.

Chavez’ Blériot im Hangar des Flugfeldes Ried-Brig.
Chavez’ Blériot im Hangar des Flugfeldes Ried-Brig.