Ehre dem toten Helden

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich am 27. September die Kunde vom Hinschied Geo Chavez’ weit über Italien und die Schweiz hinaus. Kaum eine Stunde danach, um 16.00 Uhr, liess der Sindaco von Domodossola, Achille Samonini, die Fahne auf dem Palazzo Mellerio, Sitz der Gemeindebehörde, auf halbmast setzen. Zugleich liess er den Tod des Helden durch ein Manifest folgenden Inhalts verkünden: «Geo Chavez ist tot – Er stieg zum Himmel auf und kehrte mit einer Eroberung zurück, die zu den grössten unserer Zivilisation gezählt werden darf, überschüttet mit Ruhm und geweiht durch das Martyrium. Domodossola wohnte dem Triumph bei, empfing ihn, den Verwundeten, auf dem Felde des Sieges, harrte mit Bangen der Genesung zu. Heute weint dieses gleiche Domodossola, streut Blumen zur Erinnerung an jenen, den es als seinen Adoptivsohn betrachtet!»

«Geo Chavez ist tot – Er stieg zum Himmel auf und kehrte mit einer Eroberung zurück, die zu den grössten unserer Zivilisation gezählt werden darf.»
Das Bild des Bezwingers der Alpen, ein Wandschmuck, der in vielen Orten in Ehren überlebt.

Anderntags, am Vormittag des 28. September, beorderte Stadtpräsident Samonini die Mitglieder der Behörde von Domodossola zu einer Sondersitzung ins Municipio. Es galt, das Prozedere der Trauerkundgebung festzulegen. Der Beschluss ging dahin, dass Domodossola den toten Helden in einem offiziellen Geleit von seinem Sterbezimmer im Spital zum Bahnhof überführt, wobei die Organisation samt den Kosten des am Donnerstag, 29. September, um 14.00 Uhr festgesetzten Trauerzuges von der Stadt Domodossola übernommen werden.

Am selben Vormittag trafen aus Paris kommend die Schwester und der jüngere Bruder von Geo, Maria und Gerardo, begleitet von ihrer Tante Giorgina Dartnell, geb. de Guise, am Bahnhof ein. Hier wurden sie vom älteren Neffen und Bruder Juan sowie von Duray und Christiaens empfangen.

Gross war der Zug, der den Sarg des verblichenen Chavez zum Bahnhof begleitete. Im Geleit der Trauernden befanden sich Chavez' Mitkonkurrent Weymann sowie Graf Modigliani, Präsident des Mailänder Flugkomitees. Auf dem mit Blumen umkränzten Podest beim Bahnhof verabschiedete Stadtpräsident Achille Samonini Geo Chavez, «den Domodossola unvergesslich in sein Herz geschlossen hat». Nach diesem Bekenntnis wurde der Sarg mit all den Kränzen und Blumen in den bereitstehenden Bahnpostwagen für die Reise nach Paris geschoben, wo Geo Chavez im Friedhof Père Lachaise seine letzte Ruhe finden soll.

Am Donnerstag,  29. September 1910,  geleitet Domodossola seinen toten Helden  vom Spital S. Biagio  zum Bahnhof wo  Sindaco (Stadtpräsident) Samonini mit einer  Trauerrede Geo Chavez  verabschiedet.
Am Donnerstag, 29. September 1910, geleitet Domodossola seinen toten Helden vom Spital S. Biagio zum Bahnhof wo Sindaco (Stadtpräsident) Samonini mit einer Trauerrede Geo Chavez verabschiedet.

Doch ohne einen letzten Gruss, ohne eine Ehrerbietung liess auch Brig den grossen Toten nicht ziehen. «Au vainqueur des Alpes, le comité de Brigue», so lautete der letzte Gruss auf dem Trauerband des Kranzes, den das Briger Komitee im Bahnhof Brig auf den Sarg Chavez' niederlegte. Die Totenehrung beim Zugshalt begleitete die Stadtmusik «Saltina». Als der Zug einfuhr, entblössten sich die Häupter und jeder sandte einen letzten ehrenden Gruss an den toten Helden. Mit der Trauer bewahrheitete sich, was sich das Komitee für Brig erhoffte:

«Chavez, der Bezwinger der Alpen, trug den Namen Brigs und des Simplons in alle Welt.»

In diesem Sinne kommentierte der «Briger Anzeiger»: «Man hätte Chavez am Fusse des Simplons oder auf seinen Höhen begraben sollen, wo ihn die Berge liebend aufgenommen hätten.»